mitteldeutsche zeitung

MITTELDEUTSCHHE ZEITUNG
09.11.2024
Von Anja Falgowski.

Einer der ersten, nahezu komplett mit Künstlicher Intelligenz produzierten Filme wurde jetzt in
Halle aufgeführt. Obwohl er bereits preisgekrönt ist, löst er Bedenken aus.

VON ANJA FALGOWSKI
HALLE/MZ. Ist „Transformation“
die Zukunft? Die Frage verdient
eine zweifache Antwort: Inhaltlich
zeigt der Science-Fiction-Kurzfilm
– gut zwölf Minuten ist er
lang – hoffentlich nicht das, was
auf die Menschheit zukommt.
Technisch aber vermutlich schon.
„Transformation“ ist eine der ersten,
komplett mit Künstlicher Intelligenz
(KI) generierten Produktionen
weltweit. Am Freitag wurde
sie beim Kongress der Filmmusiktage
Sachsen-Anhalt vorgeführt.
Die Veranstalter sprachen in ihrer
Einladung von einer „Sensation“.
Die Handlung ist, Science-Fictiongemäß,
dystopisch und
schnell erzählt: Die Menschheit
hat mit gefährlichen Genversuchen
ihre Nahrungskette zerstört.
Geblieben ist einzig die „Nova“ genannte
gelbe Nahrung, deren Einnahme
jedoch zu Emotionslosigund
Unfruchtbarkeit führt. Allerlei
künstliche Wesen, von tierähnlich
bis Kampfmaschinen, sind zu sehen,
lebende Tiere nämlich gibt es
nicht mehr. Aliens zerstören
schließlich die Welt, und die letzten
Drakzuls, hochintelligente Wesen,
müssen den Planeten verlassen.
Sie finden eine neue Welt. Alles
wird erst einmal gut, aber wohl
nicht so bleiben. Menschen eben.
Bilder sind wichtiger
Der Film ist eine recht rasante Abfolge
von Szenen, die Handlung
steht weniger im Vordergrund als
die Bilder. Denn die sind revolutionär:
Der Film wurde komplett mit
Künstlicher Intelligenz kreiert. Lediglich
das Drehbuch, das Sounddesign
und der Schnitt wurden
analog produziert. Alles von Marcel
Barsotti, seines Zeichens Filmmusikkomponist.
Er hat zum Beispiel
„Das Wunder von Bern“ oder
„Die Päpstin“ musikalisch ausgestattet.
Weil er aber, wie er sagt,
Zeit seines Lebens Science-Fiction-
Fan sei und überhaupt auch
selber einmal Regie führen wollte,
wandte er sich diesem Genre zu.
„In Deutschland ist Science Fiction
nicht sehr angesehen, entsprechend
schwierig ist es, an Fördergelder
heranzukommen“, erklärt
er seine Hinwendung zur KI.
„Neuland“, wie er zugibt, auch für
ihn. Etwa ein halbes Jahr hat die
Realisierung des Filmes gedauert.
Viel Arbeit steckt in der Produktion
eines solchen Stückes: 50 bis
60 Versuche habe er für manche
Szenen gebraucht. Dabei seien
mitunter „ellenlange Prompts“ nötig
gewesen. Zum Verständnis: Als
„Prompt“ wird eine Art Auftrag für
die KI bezeichnet, etwa „ein Kind
mit einem Rattenschwanz in
einem Buchenwald“. So entwickelt

die KI ein Bild, aus dem wiederum
eine Szene wird.
Bedient hat sich der 62-Jährige
der besten Software, die der
Markt – damals – hergab, inzwischen
hat sich die Technik bereits
rasant weiterentwickelt. Seinem
Film sieht man die Grenzen der KI
noch an, in Bewegungsabläufen
zum Beispiel. „Das funktioniert
heute schon viel besser. Vor einem
halben Jahr noch lag die Möglichkeit
der Ähnlichkeit mit einem
Realfilm noch bei höchstens
60 Prozent. Heute sind es 90.“
Interessant ist die Rezeption
des Films. Er lief und läuft noch
auf zahlreichen Festivals im Inund
Ausland, der Regisseur hat bereits
zahlreiche Preise dafür bekommen.
„Auch bezüglich KI ist
Deutschland nicht sehr interessiert.
Im Ausland ist man da sehr

viel offener“, erklärt Barsotti. In Toronto
hat er übrigens den Friedensfilmpreis
erhalten für den Inhalt
des Streifens, der Warnung
nämlich vor Kriegen, dem Rechtsruck
und dem Einfluss der Umwelt
auf die Evolution.
Viele positive Rückmeldungen
also, aber auch Skepsis. Denn wohin
die Reise geht, ist offensichtlich:
KI wird eine immer größere
Rolle im Filmgeschäft spielen. „KI
nimmt kein Ende“, sagt Barsotti, „irgendwann
wird sie bei jedem Film
zum Einsatz kommen.“ Hätte er
diesen Film nicht produziert, sagt
er, dann hätte es jemand anderes
gemacht, Tausende säßen dafür in
den Startlöchern. Und ja, natürlich
stünde am Ende die Frage im
Raum, wieviele Berufe innerhalb
des Filmgeschäfts in Zukunft wegfallen
würden. Momentan, schätzt
Barsotti ein, gebe es zwar viele KIFilme,
deren Geschichten seien
aber noch belanglos. Und Emotionen
seien in die KI derzeit noch
schwer hineinzubekommen. „Ich“,
sagt der Regisseur, „sehe es im Moment
als eine Art Zusatzkategorie
im Film. Ich glaube momentan
nicht, dass der Realfilm ersetzt
werden kann.“ Aber wie lange
noch? Die Zunft sieht der Gefahr
längst ins Gesicht, immer wieder
gibt es laute Proteste von Schauspielern,
Drehbuchautoren, Musikern,
Synchronsprechern. Wie so
häufig wird aber am Ende wohl
auch in diesem Kampf Geld eine
maßgebliche Rolle spielen. Marcel
Barsotti hat für seinen Kurzfilm
rund 32.5000 Euro bezahlt. Wäre
der Film herkömmlich real produziert
worden, hätte er um die acht
Millionen Dollar gekostet. Selbst
wenn er Leute angestellt hätte, um
den Film hochprofessionell zu realisieren,
wäre er immer noch preiswerter
gewesen, schätzt Barsotti.
Neugier und Anerkennung
Die Filmvorführung fand im Rahmen
des Kongresses unter dem Titel
„Verwandlung – Filmmusik
nach neuen Spielregeln“ statt. Passend,
schwebten doch auch dort
die Zeichen der Zeit über den Vorträgen,
Diskussionen und Workshops.
Von Skepsis war bei den Zuschauern
allerdings wenig zu spüren.
Neugierde, Offenheit und Anerkennung
hielten sich bei den
Wortmeldungen nach der Vorführung
die Waage. „Die Entwicklung
ist nicht aufzuhalten“, sagt der Regisseur,
der bereits an einem Drehbuch
für einen neuen Film arbeitet.
Und dieser werde vielleicht sogar
ein Langfilm sein.